Der schwäbische Kabarettist Mathias Richling gibt denk-würdige Zukunftsvisionen im Naturtheater Grötzingen
AICHTAL-GRÖTZINGEN. Polit-Kritik at its best – Richling versteht es, die Knackpunkte des zeitgenössischen Politikgeschehens zu finden, um diese in gewohnt blitzartiger Manier sowohl auszusprechen, als auch involvierte Charaktere treffend zu parodieren. Am Freitagabend gastierte der Kabarettist mit seinem neuen Programm „Richling und 2084“ im Naturtheater Grötzingen.
Ein Titel, nicht ohne Grund angelehnt an George Orwells Roman „1984“. Schilderte dieser einst als Dystopie die düstere Vision eines totalitären Überwachungsstaates, setzt sich Richling heute mit aktuellen politischen Geschehen auseinander und stellt die Zukunftstauglichkeit unserer Politiker in Frage.
Die Bühne des Naturtheaters verwandelt sich dank transparenten Klötzen mit Augenmotiv in eine futuristische Landschaft. „Beginnen wir in medias res, denn alles ist dermaßen durcheinander“, beklagt Richling. Ob es noch was Verrückteres als die deutsche Politik gäbe, fragt er in das Publikum. „Ja, Österreich“ – Korruption, illegale Spenden, „gefälschte Leute“.
Genauso unglaublich wie der Brexit. Ein Deal, aber nur, wenn er eigentlich keiner sei. Großbritannien hat nach Richlings Theorie Europa in die britische Union aufgenommen. „Aber Europa wollte nie britisch sein, also raus aus Britain“, ist da seine Schlussfolgerung.
Zurück zur deutschen Politik, der muss noch ordentlich auf den Zahn gefühlt werden. Die Grünen? „Gute Ideen, aber nicht flexibel“. Und da gibt es noch diese „Streubombe der Demokratie“ namens AfD, so Richling.
Eine Portion Selbstironie beweist der Kabarettist und Autor bezüglich seiner ernomern Redegeschwindigkeit und dem Hang zum Sprunghaftem: „Je weniger Sie mich verstehen, desto mehr eigentümliche Kreativität bringen Sie ins Spiel“. Und davon habe er dann bei Gesprächen im Anschluss auch etwas.
Doch wie sieht die Zukunft aus, wenn Deutschland heute schon aufgrund der allgegenwärtigen Überwachung ein „rechtstaatliches Schwellenland“ sei? Richling parodiert die fiktive Ansprache im Jahre 2084: Eine stark altersgeschwächte Angela Merkel mit klapprigem Gebiss und der obligatorischen merkelschen Raute verkündet das neueste Milliardenpaket für Griechenland. Es gelte wie bisher: „Es wird kein weiteres geben.“ Und Stuttgart brauche einen neuen Bahnhof, denn S21 bedeute lediglich die Anzahl der zu bauenden Bahnhöfe. Zudem bedarf es dringend der Einführung einer gesetzlichen Männerquote in Führungspositionen.
Wie ist es um die Zukunftsfähigkeit des politischen Personals bestellt?
Nun möchte es Richling wissen: Qualifiziert sich das heutige Polit-Personal denn für die Zukunft? Dazu nimmt er verschiedene Politiker genauestens unter die Lupe, karikiert diese durch komisch-tiefsinnige Übertreibungen. Von Christian Lindners „Nee, lass mich das noch sagen“, Wolfgang Schäubles ungläubiges Debattieren über „Steuersenkungen wegen Steuermehreinnahmen, warum das denn?“, bis zu Ursula von der Leyen, die bei „Bares für Rares“-Moderator Horst Lichter „altes Nazi-Zeugs, das in den Bundeswehr-Kasernen gefunden wurde“ verscherbeln möchte.
Mathias Richling schafft es, die Charakter so plastisch darzustellen, dass man meinen möchte, da spreche wahrhaftig Franz Beckenbauer über vermeintliche Korruption, „so ein Schmarrn!“, bei der WM-Vergabe. Oder Martin Luther, der die „neue Kirche namens Internet“ anprangert. Es genügt schon die Veränderung von Körperhaltung und Stimme und der Kabarettist mimt auch die Machtbesessenen dieser Erde wie Trump, Putin oder Erdogan und ihre teils stark realitätsfernen Visionen und Eigenarten.
Mathias Richling gelingt es auch bei diesen sommerlichen Temperaturen den Zuschauer gedanklich mitzunehmen, aufzuklären, dabei aber auch den Finger auf ihn, auf uns alle, zu richten. Und der Zuschauer? Der versucht, Richlings imposanter Gedanken- und Redegeschwindigkeit zu folgen und ist dabei konfrontiert mit der Absurdität der Themen, dem eigenen Gewissen und den humorvoll-bizarren Parodien. Alles in allem gewiss ein wichtiger, nachhaltiger Denkanstoß.
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Bei Mathias Richling tritt das Polit-Personal zum Test auf Zukunftstauglichkeit an. Das neue Programm von Mathias Richling ist nicht science fictional : es spiegelt - dramatisch genug - die Zukunft im Heute wider.
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